US-Exportkontrolle und Künstliche Intelligenz

zuletzt geändert am 04.04.2025

Zwischen 2020 und 2025 hat sich das US-Exportkontrollrecht zu einem strategischen Steuerungsinstrument im geopolitischen Wettbewerb um technologische Vorherrschaft entwickelt. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bereich der Künstlichen Intelligenz (AI) und Hochleistungshalbleiter. In dieser Zeitspanne wurden die US-Regularien mehrfach erweitert, vertieft und zunehmend extraterritorial ausgestaltet, um den Zugriff strategischer Rivalen – allen voran Chinas – auf kritische Schlüsseltechnologien einzuschränken.

Bereits im Jahr 2020 begannen die Vereinigten Staaten unter der Trump-Administration damit, die sogenannten Foreign Direct Product Rules (FDPR) auf einzelne chinesische Technologiekonzerne wie Huawei anzuwenden. Dies bedeutete einen Paradigmenwechsel: Erstmals wurden nicht nur direkt aus den USA exportierte Güter kontrolliert, sondern auch im Ausland produzierte Waren, sofern sie auf US-amerikanischer Technologie oder Software beruhten. Zugleich wurden AI-Systeme als Teil der „emerging technologies“ identifiziert, deren Export kontrolliert oder untersagt werden kann.

Mit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden Anfang 2021 wurde dieser Kurs nicht etwa aufgeweicht, sondern strategisch weiterentwickelt. Die Nationale Sicherheitsstrategie 2022 stellte klar, dass die technologische Überlegenheit westlicher Demokratien als zentrales Mittel zur Sicherung der globalen Ordnung betrachtet wird. Entsprechend wurde ein regulatorisches Rahmenwerk aufgebaut, das sowohl nationale als auch internationale Wertschöpfungsketten adressiert.

Ein entscheidender Einschnitt erfolgte am 7. Oktober 2022, als das US-Handelsministerium (Bureau of Industry and Security, BIS) eine umfassende Erweiterung der Export Administration Regulations (EAR) veröffentlichte. Diese zielten auf leistungsstarke Halbleiter, Halbleiterfertigungsausrüstung und Supercomputerkomponenten. Die neuen Regeln beinhalteten unter anderem eine erweiterte Advanced Computing FDP Rule sowie eine Supercomputer FDP Rule. Damit wurden auch solche Produkte kontrollierbar, die außerhalb der USA entwickelt und gefertigt werden – sofern US-Technologie oder Designsoftware involviert ist. Gleichzeitig wurden zahlreiche chinesische Unternehmen mit AI- und Chip-Bezug auf die sogenannte Entity List gesetzt.

In den Jahren 2023 und 2024 kam es zu einer weiteren Ausdifferenzierung und multilateralen Koordinierung. Die USA vereinbarten mit Partnerstaaten wie den Niederlanden, Japan und Südkorea ein abgestimmtes Vorgehen gegen den Export sensibler Fertigungstechnologie. Die Commerce Control List wurde um weitere AI-relevante Komponenten ergänzt, und es wurden neue Lizenzanforderungen auch für den Zugang zu AI-Cloud-Diensten durch Nutzer in kritischen Ländern eingeführt. Diese Entwicklung verstärkte die Verantwortung international tätiger Unternehmen, ihre Export-Compliance-Systeme deutlich zu schärfen.

Ein grundlegender struktureller Wandel trat schließlich am 15. Januar 2025 in Kraft: An diesem Tag wurde das sogenannte Framework for Artificial Intelligence Diffusion eingeführt – ein regulatorisches Gesamtsystem zur gezielten Steuerung der internationalen Verbreitung fortschrittlicher AI-Fähigkeiten. Dieses Rahmenwerk basiert auf einer Kategorisierung strategisch sensibler Technologien, darunter Foundation Models, Deep Surveillance, autonome Systeme sowie AI-basierte Entscheidungsarchitekturen. Die Foreign Direct Product Rules wurden entsprechend erweitert und auf Cloud-Infrastrukturen, Trainingsdaten, Halbleiterdesigns und Open-Source-Veröffentlichungen angewendet. Selbst das Teilen bestimmter quelloffener KI-Modelle wurde unter Lizenzvorbehalt gestellt, sofern deren Leistungsfähigkeit militärische oder überwachungsbezogene Einsatzpotenziale implizierte.

 

Aktuelle Informationen zu AI

Für europäische und andere internationale Unternehmen ist klar: Die US-Regulierung hat globale Wirkung. Wer US-Komponenten, Software, Entwicklungsumgebungen oder Personal einsetzt – sei es in der Chipproduktion, der Forschung oder im AI-Training – kann den US-Exportkontrollregeln unterliegen. Die Risiken reichen von Reputationsverlusten über Sanktionen bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung bei Missachtung. Besonders betroffen sind Halbleiterhersteller, Cloud-Plattformen, internationale Forschungseinrichtungen sowie Tech-Unternehmen, die AI-Anwendungen entwickeln oder vertreiben.

Die Jahre 2020 bis 2025 zeigen somit eindrücklich, wie das US-Exportkontrollrecht von einem klassischen Regulierungsinstrument zu einem geopolitisch genutzten Machtmittel transformiert wurde. Die Kontrolle über strategische Technologien wie AI wird nicht mehr als wirtschaftspolitisches Detail verstanden, sondern als zentraler Hebel im globalen Wettbewerb um Sicherheit, Einfluss und Innovationsführerschaft. Unternehmen, Forschungsinstitutionen und politische Entscheidungsträger müssen sich auf eine zunehmend fragmentierte, aber durchsetzungsstarke internationale Regulierungslandschaft einstellen – mit den Vereinigten Staaten als aktiv steuerndem Akteur im Zentrum.

Damit ist die US-Exportkontrollpolitik zu einem geopolitischen Steuerungsinstrument avanciert. Die Kontrolle über AI-Technologie hat dabei die Rolle übernommen, die einst Nukleartechnologie und Rüstung innehatten. Die USA nutzen ihr regulatorisches Gewicht, um die globale Architektur der Innovationsverbreitung zu beeinflussen – und fordern Staaten wie Unternehmen heraus, sich in einem neuen, fragmentierten Technologieregime zu positionieren.

Empfehlung für Unternehmen und Institutionen:

  1. Compliance-Systeme anpassen: EAR, FDPR und Entity List Monitoring.
  2. Technologie- und Lieferkettenanalysen: Wo steckt US-Technologie?
  3. Prozesse für Lizenzanträge etablieren (bei BIS/OFAC).
  4. Kooperation mit Fachkanzleien und Exportkontrollberatern.
  5. Internationale Forschungskooperationen rechtlich absichern.

 

Bei Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Prof. Dr. Darius O. Schindler, MBA

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